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20. April 2008

Einmal rund um Deutschland

Im Grunde genommen begann alles 2007, das Abitur war grade gelaufen und es lockten ein paar Wochen Müßiggang. Da wir etwas erleben wollten, brachen wir zu einer mehrtägigen Rad- und Campingtour entlang des Rheins Richtung Koblenz auf. Die Tour selber war kein großer Erfolg, aber wir hatten Blut geleckt.
Ein halbes Jahr später - Simon absolvierte grade ein Freiwilliges Soziales Jahr, ich meinen Zivildienst - wollten wir dann einen neuen Anlauf für eine Reise nehmen. Eine Fahrradreise sollte es nicht werden, soviel war klar. Aber was dann? Auf jeden Fall wollten wir etwas Individuelles machen, ein Hauch Abenteuer wäre auch nicht schlecht. Relativ schnell einigten wir uns darauf, mit einem Interrailticket zu reisen. Die nächste Frage war natürlich: Wo wollen wir eigentlich hin? Interrail eröffnete uns für ein verhältnismäßig kleines Budget recht viele Möglichkeiten. Doch der limitierende Faktor war neben den Finanzen auch die Zeit – mehr als eine Woche konnten wir nicht freinehmen. Anfänglich planten wir eine Reiseroute von Frankreich nach Spanien und Portugal, für die aber unsere Urlaubstage nicht reichten. Also schwenkten wir auf die Idee einer Reise nach Griechenland um, die aber nur mit zusätzlichen Flugtickets machbar gewesen wäre. Schließlich hatten wir die zündende Idee: Wir fahren einmal rund um Deutschland!
Rund Um Deutschland
Daten von OpenStreetMap - Veröffentlicht unter ODbL
Und damit beginnt sie, die aufregende Planung unserer ersten Interrailreise. Zunächst besorgen wir uns ein Europa-Kursbuch. Alles ist neu für uns, die Tarifbestimmungen, die Besonderheiten von internationalem Zugverkehr, doch schließlich kristallisiert sich die Route für unsere fünftägige Reise heraus: Von unserem Startort im niederländischen Venlo, direkt hinter der deutschen Grenze, wollen wir nach Den Haag. Noch am gleichen Tag soll es von dort nach Brüssel und Luxemburg weitergehen. Am nächsten Morgen planen wir von Luxemburg via Straßburg und Basel nach Liechtenstein weiterzufahren. Nach einer Übernachtung in Feldkirch soll es anschließend nach Salzburg und Wien weitergehen, von wo aus wir einen Abstecher nach Bratislava machen wollen. Am vorletzten Tag wollen wir über Gmünd und Budweis nach Prag reisen, dem letzten Ziel der Reise. Mit einem Schönes-Wochenende-Ticket planen wir am darauffolgenden Morgen die Rückfahrt durch Deutschland.


Tag 1: Venlo – Delft – Den Haag – Roosendaal – Brüssel – Luxemburg

Fahrt Den Haag
Im Zug nach Delft
Am 26.3.2008 geht es endlich los. Wahrscheinlich wäre die Reise im Sommer oder zumindest bei Sonnenschein schöner gewesen. Aber wir haben unsere Urlaubstage nun einmal jetzt genommen und Aufregung und Ungeduld erlauben uns nicht, länger zu warten. Statt bei blauem Himmel geht es also bei leichtem Schneefall los. Früh morgens nehmen wir die S-Bahn nach Düsseldorf und steigen dort in den ersten Regionalexpress nach Venlo, das wir gegen sieben Uhr erreichen. Auf eine Besichtigung der Stadt können wir getrost verzichten, denn wir kennen sie bereits. Stattdessen steigen wir in den nächsten Zug nach Den Haag, der wenige Minuten später bereits abfährt. Die Fahrt wird eher langweilig, die Landschaft ist unspektakulär. Wenigstens bleiben wir alleine im Abteil und können noch ein wenig Schlaf nachholen.
Delft Grachten
Gracht in Delft
Hinter Breda, etwa auf halbem Weg, lesen wir uns ein wenig in den Reiseführer für Den Haag ein. Dabei fallen uns auch einige vielversprechende Beschreibungen zur kleinen Stadt Delft auf, die nur zehn Minuten Bahnfahrt vor Den Haag ist. Also beschließen wir, vor der Besichtigung von Den Haag noch in Delft zu halten. Gesagt, getan, und so stehen wir am frühen Vormittag am Bahnhof von Delft.
Der Schnee, der bei der Abfahrt in Deutschland fiel, ist in Sprühregen übergegangen und wir fragen uns allmählich ob diese gesamte Reise eine gute Idee war. Ungeachtet dieser Gedanken schlendern wir erst einmal durch Delft. Mit den vielen Grachten und den gemütlichen Backsteinhäuschen ein lohnenswerter Zwischenhalt. Doch allzu viel Zeit können wir hier trotzdem nicht verbringen, denn wenn wir haben für diesen Tag neben den Haag auch Brüssel und Luxemburg auf dem Programm. Also steigen wir nach der knappen Besichtigungstour durch Delft schnell in den nächsten Zug nach Den Haag.
Binnenhof Den Haag
Der Binnenhof in Den Haag
Die niederländische Königsstadt stellt einen recht krassen Kontrast zu Delft dar. Man merkt der Stadt an, dass sie eines der Zentren politischer Macht in den Niederlanden ist. Hauptattraktion ist natürlich der Binnenhof, der Sitz des niederländischen Parlaments. Aber auch die Einkaufsstraßen begeistern mit ihrer prächtigen Architektur. Besonders angetan sind wir von einer historischen Einkaufspassage, die wohl an Paris erinnern soll.
Historische Einkaufspassage
Einkaufspassage in Den Haag
Doch die Zeit rast und nach einer kurzen Besichtigung und einem noch hastigeren Frühstück sind wir bereits wieder zurück am Bahnhof. Immerhin liegen wir gut in unserem Zeitplan, als wir in den nächsten Zug nach Roosendaal steigen. Von dort soll unser Zug nach Brüssel abfahren. Auch diese Zugfahrt wird wieder recht unspektakulär. Die flache Landschaft bietet dem Auge wenig Abwechslung, und so sind wir froh als wir Roosendaal erreichen. Der Zug nach Brüssel steht tatsächlich schon bereit und fast nahtlos geht es weiter. Obwohl auf der Strecke Bauarbeiten im Gange sind, erreichen wir bereits knapp zwei Stunden später den Bahnhof Brüssel Centraal.
Michael und Gudula Bruessel
Michael und Gudula-Kathedrale
in Brüssel
Der Bahnhof selber ist eine unübersichtliche Konstruktion, die in Teilen unterirdisch angelegt ist. Die Bauarbeiten verbessern den Eindruck des Gebäudes ebenfalls nicht. Kaum sind wir allerdings aus dem Bahnhof raus, stehen wir bereits vor der ersten Attraktion Brüssels, der Michael und Gudula-Kathedrale, die gleichzeitig der Bischofssitz von Brüssel ist. Auch das triste Wetter kann den Eindruck der aus weißen Steinen errichteten gotischen Kathedrale nicht schmälern. Nachdem wir staunend das Innere der Kathedrale betrachtet haben, brechen wir in die Innenstadt auf.
Grote Markt
Auf dem Grote Markt
Größter Anziehungspunkt ist natürlich der Grote Markt mit den fast durchgängig barocken Häuserfronten und dem berühmten gotischen Rathaus. Leider wird just in diesem Moment aus dem leichten Nieselregen ein regelrechtes Gewitter. Im strömenden Regen fliehen wir von dem nunmehr verlassenen Grote Markt in eine überdachte Einkaufspassage, die uns stark an die Einkaufspassage in Den Haag erinnert. Als der Regen schließlich ein wenig nachlässt, schlendern wir noch ein wenig durch die gemütlichen Gassen rund um den Grote Markt.
Altstadt Bruessel
Streifzug durch die Gassen von Brüssel
Während langsam die Dämmerung hereinbricht, gönnen wir uns noch ein Abendessen, denn die Essensdüfte aus den vielen Restaurants in der Brüsseler Altstadt haben uns hungrig gemacht. Im Dunklen sind wir schließlich am Bahnhof zurück und warten auf den nächsten Zug nach Luxemburg. Ein wenig bedauern wir, dass wir so wenig Zeit in Brüssel hatten, denn gerne hätten wir das Atomium besucht. Stattdessen steigen wir nun in den letzten Zug des Tages nach Luxemburg. Dort werden wir gegen 23 Uhr ankommen. Eine Übernachtung haben wir nicht gebucht, denn bereits um kurz nach vier Uhr morgens wollen wir den Anschlusszug nach Metz in Frankreich nehmen. Wir hoffen, die wenigen Stunden zwischen An- und Abfahrt mit einem nächtlichen Stadtbummel bzw. am Bahnhof verbringen zu können.
Bahnhof Luxembourg
Ankunft in Luxemburg
Leider misslingt unser Plan gründlich. Als wir schließlich mitten in der Nacht in Luxemburg ankommen, müssen wir feststellen, dass hinter uns die Türen des Bahnhofs abgeschlossen werden. Auch die Stadt ist um diese Uhrzeit bereits wie ausgestorben. Vom Nachtleben deutscher Großstädte ausgehend, hatten wir in einer Hauptstadt wie Luxemburg mit einem mindestens ebenso ausgeprägten Nachtleben gerechnet. Aber es hilft alles nichts.
Luxemburg bei Nacht
Luxemburg bei Nacht
Also schlendern wir bis weit nach Mitternacht durch die verlassenen Straßen Luxemburgs, bewundern das kunstvoll illuminierte, mehrere Dutzend Meter tiefe Petruss-Tal und überqueren es auf der Adolphe-Brücke. Auch die vielen Repräsentationsbauten, die die ganze Nacht durch angestrahlt werden, sind ein interessanter Anblick. Irgendwann macht sich jedoch Müdigkeit bei uns breit, außerdem setzt leichter Nieselregen ein. Schließlich setzen wir uns in ein ungemütliches Wartehäuschen am Busbahnhof direkt vor dem Bahnhof. Es wird eine lange und kalte Nacht. Zwischendurch hält ein Streifenwagen vor uns, da die Polizisten wohl über unser nächtliches Warten am Bahnhof verwundert sind. Schließlich wünschen sie uns aber noch eine schöne Nacht und fahren wieder davon.


Tag 2: Luxemburg – Metz – Straßburg – Basel – Sargans – Vaduz – Feldkirch

Fahrt Luxemburg Metz
Früh morgens im Zug nach Metz
Wir sind froh, als am frühen Morgen endlich der Bahnhof wieder geöffnet wird. Noch größer ist die Freude, als der hypermoderne aber unbeheizte Zug nach Metz endlich einfährt. Die Fahrt dauert zwar nicht lange, aber sie genügt, um ein wenig Schlaf nachzuholen. Als wir schließlich in Metz ankommen, stellen wir erfreut fest, dass das Wartehäuschen am Bahnsteig gut beheizt ist, und so können wir uns endlich auch ein wenig aufwärmen. Nach einer knappen Stunde Wartezeit in Metz fährt schließlich der Zug nach Straßburg ein.
Strasbourg Dom
Vor dem Straßburger Münster
Das Wetter in Straßburg ist zwar ebenfalls trübe, aber zumindest regnet es im Moment nicht. Wieder erwarten uns gemütliche Gassen mit schönen alten Häusern. Die Altstadt, Grande Île genannt, zählt nicht umsonst zum Weltkulturerbe. Besonders herausragend ist der zentrale Münsterplatz, der vom Straßburger Münster dominiert wird. Mit seiner gotischen Architektur erinnert es uns ein wenig an den Kölner Dom. Einen krassen Kontrast zu der Altstadt stellt der Bahnhof dar. Zwar ist die Bausubstanz auch hier eigentlich historisch, allerdings ist um das gesamte Banhofsgebäude eine UFO-ähnliche Glasfassade errichtet worden.
Bahnhof Strasbourg
Bahnhof von Strasbourg
Als wir nach einem Frühstück in einer Boulangerie schließlich wieder zurück am Bahnhof sind, müssen wir feststellen, dass unser Zug nach Basel ausfällt. Die Lautsprecheransagen sind unglücklicherweise nur auf Französisch und für uns unverständlich. Auch die Dame am Informationsschalter reagiert auf unsere englischsprachige Nachfrage wenig hilfreich. Nach einigem Suchen finden wir jedoch einen Aushang mit einem Ersatzfahrplan. Den Text verstehen wir zwar nicht, aber aus dem Fahrplan geht hervor, dass der nächste Zug nach Basel erst in zwei Stunden fahren wird. Scheinbar gibt es Bauarbeiten auf der Strecke.
Bahnhof Basel
Umsteigen in Basel
Erschöpft von der langen Nacht warten wir die zwei Stunden in einem ungemütlichen Warteraum auf dem Bahnsteig. Wir sind froh, als endlich der Zug bereitgestellt wird. Die Fahrt wird aber wiederum unerquicklich. Bedingt durch die Bauarbeiten hat der Zug bei der Einfahrt in Basel Verspätung. Nur grade so bekommen wir noch den Anschlusszug nach Sargans. Durch die unplanmäßige Wartezeit in Straßburg müssen wir zudem auf die Besichtigung von Basel verzichten. Immerhin können wir direkt nach Sargans durchfahren, ohne in Zürich umsteigen zu müssen.
Sargans Postbus
Postbusse vor dem Bahnhof von Sargans
Die Fahrt nach Sargans dauert zwar lange, führt aber durch ereignisreiche Landschaft. Eine ganze Weile fahren wir am Ufer des Bodensees entlang, den Rest der Zeit durch die Ausläufer der Alpen. Auch in Sargans müssen wir schließlich nicht lange warten. Direkt vor dem Bahnhof steht bereits der Postbus nach Vaduz bereit. Über eine Bergstraße mit schöner Alpenlandschaft zu beiden Seiten erreichen wir schließlich die Hauptstadt des Fürstentums Liechtenstein.
Vaduz Liechtenstein
Das Schloss von Vaduz
Ausnahmsweise lässt sich sogar kurz die Sonne blicken und so schlendern wir gut gelaunt durch die überschaubaren Straßen von Vaduz. Wir werfen einen Blick auf das Schloss, auf das futuristische Landtagsgebäude und auf das ebenso futuristische Kunstmuseum. Grade als wir zur Bushaltestelle des Postbusses zurückkehren, setzt der Regen wieder ein.
Jugendherberge Feldkirch
Unser Hostel im alten
Siechenhaus von Feldkirch
Von Vaduz aus fahren wir mit dem Bus über eine wiederum sehr schöne Bergstraße ins österreichische Feldkirch. Dort haben wir ein Zimmer in einem Hostel gebucht. Da die Bushaltestelle an der dem Hostel gegenüberliegenden Seite der Stadt ist, können wir Feldkirch sogar noch im Tageslicht, quasi im Vorbeigehen besichtigen. Das Hostel schließlich steht sogar als Attraktion im Reiseführer. Es befindet sich nämlich im ehemaligen Siechenhaus, trotz seiner traurigen Geschichte ein hübsches und frisch renoviertes Fachwerkgebäude. Da wir immer noch müde von der langen Nacht sind und morgen erneut früh abfahren wollen, lassen wir es bei dieser Kurzbesichtigung Feldkirchs bewenden und gehen nach einer ausgiebigen Dusche lieber möglichst zeitig schlafen.


Tag 3: Feldkirch – Salzburg – Wien – Bratislava – Wien

Salzburg Altstadt
Unterwegs zur Altstadt von Salzburg
Am nächsten Morgen stehen wir erholt am Bahnhof von Feldkirch. Gegen sieben wird unser Zug nach Salzburg abfahren. Tatsächlich fährt der Zug pünktlich vor und wir finden in einem Sechs-Mann-Abteil noch zwei freie Sitzplätze. Wie schon gestern während der Fahrt im Postbus, können wir auch heute während der Zugfahrt wieder Alpenlandschaft inklusive Schnee genießen. Erfreulicherweise dauert die Fahrt nicht allzu lange und am frühen Vormittag sind wir in Salzburg.
Katakomben Salzburg
Auf dem Petersfriedhof in Salzburg
Rasch fahren wir mit dem Bus in die Innenstadt und endlich zeigt sich auch wieder einmal die Sonne am Himmel. Angetan von den barocken Häusern, schlendern wir eine Zeit lang durch die Sträßchen der Altstadt. Schließlich erklimmen wir den oberhalb der Altstadt gelegenen Nonnenberg mit dem gleichnamigen Kloster. Eigentlich wollen wir vor der Abfahrt noch in die berühmten Katakomben des Petersfriedhofs, aber sie sind wegen Betriebsferien geschlossen. Also fahren wir mit dem Bus zurück zum Bahnhof und steigen in den nächsten Zug nach Wien. Von dort fahren wir ohne Besichtigung direkt ins nahe Bratislava weiter, das wir am Nachmittag erreichen.
Altstadt Bratislava
Das Alte Rathaus in Bratislava
Auch hier ist das Wetter gut und so brechen wir zu Fuß in die Altstadt auf. Waren wir von Salzburg schon angetan, so sind wir von Bratislava begeistert. Die Architektur unterschiedet sich nicht großartig von der in Salzburg, aber während dort alles bis ins Detail restauriert ist, strahlen die historischen Bauten in Bratislava erheblich mehr Authentizität aus.
Bratislava Altstadt
Altstadt von Bratislava
Während die Dunkelheit langsam über uns hereinbricht, wandern wir ziellos durch die Altstadt von Bratislava, bewundern das Alte Rathaus, schlendern über den Hlavné Námestie und den Hviezdoslav-Platz. Nach einem kleinen Abendessen gehen wir am Grassalkovich-Palais vorbei zum Bahnhof zurück. Dort steigen wir schließlich am späten Abend in den Zug zurück nach Wien.
Wien Suedbahnhof
Nacht am Wiener Südbahnhof
Auch in Wien haben wir keine Übernachtung gebucht. Wir werden erst gegen Mitternacht dort ankommen, wollen ein paar Stunden am Südbahnhof verbringen und schließlich in der Morgendämmerung die Altstadt besichtigen.
Immerhin bleibt der Bahnhof die gesamte Nacht durch geöffnet. Aber die Kälte und eine furchtbare Kunstinstallation zehren an unseren Nerven. Die Kunstinstallation besteht aus zwei Monitoren, die riesige Augen zeigen. In kurzen Abständen zwinkern sich diese Augen über eine Rolltreppe hinweg zu. Dabei wird ein klapperndes Geräusch abgespielt. Entnervt verbringen wir also die letzen Stunden vor der Morgendämmerung damit, mit einer gut geheizten und menschenleeren S-Bahn zwischen den Endhaltestellen hin- und herzufahren.


Tag 4: Wien – Gmünd – Budweis – Prag

Sonnenaufgang Wien
Bei Sonnenaufgang in Wien
Als sich schließlich das erste Licht am Horizont abzeichnet, steigen wir an der Haltestelle Praterstern aus und laufen zu Fuß zum Stephansdom. Anschließend schlendern wir noch ein wenig durch die Straßen rings um den Dom. Nach einem kleinen Frühstück fahren wir schließlich gut gelaunt zum Wiener Südbahnhof zurück. Wie geplant nehmen wir dort den Zug zum tschechischen Grenzort Gmünd. Nach dem Regen am Anfang der Reise, scheint das Wetter uns nun hold zu sein. Der Tag ist sonnig, von Wolken keine Spur.
Sgraffito Gmuend
Sgraffito-Häuser in Gmünd
In Gmünd, das wir eigentlich nur als obligatorischen Umsteigeort betrachtet hatten, werden wir sogar von einer hübschen Altstadt mit einigen interessanten Sgraffito-Häusern überrascht. So nutzen wir die Wartezeit in Gmünd zu einem kleinen Streifzug durch die Altstadt und einem raschen Proviantkauf beim erstbesten Bäcker. Als wir schließlich am Bahnhof zurück sind, müssen wir nicht mehr lange auf den Zug ins tschechische Budweis warten.
Bahnfahrt Tschechien
Auf der Fahrt nach Budweis
Die Fahrt wird die schönste dieser Reise. Im strahlenden Sonnenschein geht es in einem klapprigen Waggon, in gemächlichem Tempo von einer Diesellok gezogen, durch scheinbar unberührte Wälder und durch kleine Dörfer. Im Nachhinein betrachtet war es wahrscheinlich diese Fahrt, die unsere Leidenschaft für das Reisen in Osteuropa vollends entfachte.
Ceske Budejovice
Marktplatz von Budweis
Doch zunächst einmal halten wir nach einer guten Stunde Fahrzeit in Budweis, der neben Pilsen wohl berühmtesten Bierstadt Tschechiens. Der Gang aus dem Bahnhof scheint zunächst unspektakulär, unser erster Blick fällt auf ein modernes Einkaufszentrum. Doch schnell finden wir den Weg in die Altstadt. Der größte Teil der Altstadt scheint sich um den großen Marktplatz zu gruppieren. Auffallend sind das barocke Rathaus und der Samsonbrunnen. An den Hausfassaden finden sich immer wieder Hinweise auf die deutsche Vergangenheit der Stadt.
Bahnhof Ceske Budejovice
Am Bahnhof von Budweis
Viel Zeit lassen wir uns jedoch nicht für die Besichtigung der Stadt. Bereits zwei Stunden später stehen wir wieder am Bahnhof und steigen in den bereitstehenden Zug nach Prag. Als wir einsteigen und die Tür des Waggons nicht hinter uns schließen, ernten wir einen bösen Blick des Schaffners – die Zugtüren schließen nicht automatisch. Die Fahrt wird nicht ganz so schön wie die Fahrt nach Budweis. Der Himmel hat sich wieder mit Wolken bedeckt und man merkt an der zunehmend bebauten Landschaft, dass man sich dem Ballungszentrum Prag nähert.
U-Bahn Prag
Irrweg durch den Prager Bahnhof
Am Nachmittag schließlich erreichen wir den Bahnhof von Prag. Alles ist eine große Baustelle und wir haben Schwierigkeiten, uns in dem Chaos zurechtzufinden. Eigentlich haben wir ein Hostel in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs gebucht, aber weder können wir es finden, noch kennt die Touristeninformation am Bahnhof das Hostel. Geschlagene zwei Stunden irren wir durch die unterirdischen Gänge in der Peripherie des Bahnhofs, umrunden den riesigen Gebäudekomplex und überqueren die Autobahn direkt vor dem Bahnhof. Als es schon dunkel geworden ist, finden wir eher zufällig das Hostel.
Prag Altstadt
Endlich in der Altstadt von Prag
Die historische Front des Prager Bahnhofs hat an jeder Seite einen wuchtigen Turm. In einem dieser Türme, dessen Zugang in einer besonders finsteren Ecke verborgen ist, finden wir ein Hinweisschild des Hostels. Der Eingang selber befindet sich in der fünften Etage. Wenn wir die verblassten Zeichen richtig deuten, handelt es sich um eine ehemalige Wache der Bahnhofspolizei. Die dicke Stahltür unseres Zimmers untermauert diese Theorie.
Altstaedter Ring Prag
Auf dem Altstädter Ring in Prag
Schnell legen wir unser Gepäck ab, und dann eilen wir auch schon in Richtung der berühmten Prager Innenstadt los. Das Hostel wird um 22 Uhr geschlossen und durch unsere lange Suche ist es bereits kurz nach sechs. Über den Wenzelsplatz, vorbei an dem imposanten Gebäude des Naturkundemuseums, betreten wir die Innenstadt und sind beeindruckt von den schieren Ausmaßen der Altstadt. Vom Altstädter Ring aus erkunden wir die nächsten Sehenswürdigkeiten wie die Astronomischen Uhr und die Teynkirche. Dann lassen wir uns blindlings durch die Straßen und Gassen in der Nähe treiben. Viel zu spät merken wir, wie schnell die Zeit vergangen ist. Wir haben noch nicht einmal die Karlsbrücke gesehen, müssen aber schon ins Hostel zurück, wenn wir nicht vor verschlossenen Türen stehen wollen. Frustriert kehren wir zum Hostel zurück, wo die vergangenen Tage ihren Tribut fordern – unisono schlafen wir ein. Morgen wollen wir dann um kurz vor sieben mit dem einzigen direkten Regionalzug nach Nürnberg die Heimreise beginnen.


Tag 5: Rückreise

Doch es kommt anders. Wir haben nicht bedacht, dass in dieser Nacht die Umstellung auf Sommerzeit erfolgt. So stehen wir also am nächsten Morgen verdutzt am Prager Bahnhof und müssen feststellen, dass unser Zug längst weg ist.
Praha hlavni nadrazi
Abfahrt vom Prager Bahnhof
Erfreulicherweise haben wir eine Alternative. Statt direkt nach Nürnberg durchzufahren, fahren wir zunächst nach Cheb. Von dort können wir mit Umstieg in Marktredwitz ebenfalls nach Nürnberg kommen – es dauert nur länger. Auch die restliche Rückfahrt mit Regionalverkehr von Nürnberg nach Solingen zurück verläuft alles andere als nach Plan. Bauarbeiten machen uns das Leben schwer und so kommen wir statt am frühen Abend erst mitten in der Nacht in der Heimat an.
Immerhin gibt uns die lange Fahrt Gelegenheit, die Reise zu rekapitulieren. Die erste Erkenntnis ist, dass wir zu wenig Zeit vor Ort hatten, unsere Tagesprogramme waren zu dicht gedrängt. Die zweite, vielleicht noch wichtigere Erkenntnis lautet, dass uns der östliche Teil der Reise mit Abstand am besten gefallen hat. Die Authentizität, das gewisse Maß an Chaos und vielleicht auch der leichte Hauch von Abenteuer – DAS ist es, was wir gesucht haben.